Die Rückkehr des analogen Computers
Sie stecken in Smartphones und Computern, regeln Ampeln und technische Anlagen, steuern Autos und bilden sogar die Grundlage für künstliche Intelligenzen (KI): In unserer Elektronik sind digitale Mikrochips, die mit Bits und Bytes rechnen, allgegenwärtig. Doch in Zukunft könnte das anders werden. Gerade mit Blick auf die KI, Quantencomputer und andere hochmoderne Systeme könnte mal wieder eine längst totgeglaubte Technologie ihr großes Comeback erleben.
Wir erklären, was für die Rückkehr des analogen Computers spricht:
Inhalt
Digitale Computer: problematisch bei komplexen Aufgaben
Digitale Computer stoßen allmählich nicht nur an ihre Grenzen, sondern sind für viele Aufgaben gar nicht optimal geeignet. Gerade bei komplexen Aufgaben mit vielen Variablen mangelt es an Schnelligkeit.
Das liegt daran, dass ein digitaler Rechner einen Algorithmus braucht, der die Arbeit in verschiedene Einzelschritte aufteilt. Mit einem digitalen Computer zerhacken wir also gewissermaßen ein Problem, das eigentlich zusammenhängt, in viele kleine Scheibchen.
Und je komplexer eine Aufgabe ist, umso mehr solcher Einzelschritte sind notwendig und umso höher fällt dadurch der Rechenaufwand aus.
Dabei steuert dieser zentrale Algorithmus alle Rechenprozesse. Deshalb kommt noch dazu, dass der Rechner die Informationen immer wieder vom Speicher zum Prozessor schieben muss und wieder zurück.
Das kostet ebenfalls Zeit und Energie. Entsprechend hoch ist der Stromverbrauch moderner Hochleistungsrechner.
Jüngsten Schätzungen zufolge verschlingt zum Beispiel allein das KI-Modell ChatGPT hochgerechnet auf alle Nutzer knapp 40 Millionen Kilowattstunden Strom pro Tag. Das würde ausreichen, um acht Millionen Smartphones aufzuladen.
Das zeichnet analoge Rechner aus
Auf der Suche nach einer Alternative, die Energie einsparen und das digitale Rechnen ergänzen könnte, rückt eine eigentlich schon totgesagte Technologie wieder ins Blickfeld: der analoge Computer.
Schon vor Jahrhunderten wurde er eingesetzt, um die Gezeiten oder die Bewegungen der Gestirne zu berechnen. Sogar bei den Apollo-Missionen zum Mond arbeiteten an Bord noch analoge Computerkomponenten.
Anders als digitale Computer werden analoge Rechner weder von einem Algorithmus gesteuert noch rechnen sie mit Nullen und Einsen.
Die Gesetzmäßigkeiten und Einflussfaktoren, die berechnet werden sollen, werden stattdessen durch die mechanische oder elektrische Verschaltung ihrer Komponenten dargestellt.
In einem alten Gezeitenrechner zum Beispiel spiegeln Zahnräder und deren Kettenverbindungen wider, wie sich die Einflüsse von Mond, Sonne, Erddrehung und Küstenform verstärken oder aufheben. In einem elektrischen Analogrechner erfolgt das durch die Verkabelungen.
Der große Vorteil eines analogen Rechners besteht darin, dass er mit wenig Energie und Zeit auskommt, wenn er einmal an seine Aufgabe angepasst ist.
Nachteilig ist aber, dass ein Analogrechner nicht universell eingesetzt werden kann. Damit er eine neue Aufgabe übernehmen kann, müssen mitunter erst unzählige Leitungen entsprechend umgesteckt werden.
Analoge Chips für die KI
Obwohl das „Programmieren“ analoger Computer aufwändiger ist, forschen die Branchenriesen seit geraumer Zeit wieder an analoger Rechnertechnik. Der Auslöser dafür war in erster Linie die KI.
Denn ähnlich wie Analogrechner basieren auch die neuronalen Netzwerke von KI-Systemen darauf, dass viele dezentrale Recheneinheiten vernetzt zusammenwirken.
Es gibt also viele einzelne Rechenelemente, die sinnvoll und effektiv miteinander vernetzt sind, ohne dass ein Algorithmus als zentrale Verarbeitungseinheit benötigt wird.
KI lernt, indem sie bestimmte Wege im Netzwerk stärker gewichtet als andere. Für das digitale Rechnen müssen diese Werte, die sich ständig verändern, jedes Mal erst in Abfolgen aus Nullen und Einsen übertragen werden.
Im Unterschied dazu kann ein Analogrechner die Gewichtung direkt abbilden, so zum Beispiel im Stromfluss.
Und es gibt noch einen anderen Aspekt, der analoge Rechner für die KI interessant macht: Sie verbrauchen weit weniger Strom. Denn der konstante Datentransfer zwischen Speicher und Prozessor fällt weg.
Analoge Lichtrechner für hochkomplexe Anwendungen
KI-Unternehmen tüfteln an analogen Chips, die neuronale Netzwerke sparsamer und schneller machen sollen. Einen Baustein für analoge KI-Systeme hat etwa IBM Research präsentiert.
Dabei handelt es sich um einen analogen Chip auf elektrochemischer Basis, der die Gewichtungen von neuronalen Netzwerkpfaden kodieren kann, ohne dafür auch nur einen Datensatz bewegen zu müssen.
Bei Tests zeigte sich, dass zwei KI-Sprachmodelle, die mit solchen Analogchips betrieben wurden, schneller liefen und weniger Energie verbrauchten als mit den üblichen digitalen Chips.
Ein anderes spannendes Projekt starteten die Microsoft Research Labs in Cambridge. Sie entwickelten die „Analog Iterative Machine (AIM)“, die anstelle von Elektronen mit Licht rechnet.
Photonische Kristalle und Speziallinsen ändern, teilen und verknüpfen dabei die Lichtstrahlen so, wie es die Aufgabe erfordert. Diese parallele, analoge Rechnung erzeugt einen Lichtstrahl, der durch seine Intensität und seine Merkmale die Lösungswerte der Aufgabe kodiert.
Anschließend werden die Lösungswerte in elektronische Signale übersetzt und von digitalen Komponenten weiterverarbeitet.
Damit ist die AIM ein optischer Rechner, der Optimierungsprobleme in Lichtgeschwindigkeit lösen kann. Gängige Silizium-Technologien und sogar Quantencomputer sind mit solchen Aufgaben überfordert.
Kopplung mit Quantencomputern
Wie Quantencomputer sind auch Analogrechner im Bereich des Unconventional Computing angesiedelt. Die Ähnlichkeit besteht darin, dass sie ein physikalisches System als Modell für das Problem, das es zu lösen gilt, nutzen und die Variablen dabei durch Messungen auslesen.
Aus diesem Grund gehen Forscher davon aus, dass analoge Rechner besser mit Quantencomputern verknüpft werden können als Digitalrechner mit klassisch programmiertem Speicher. Bisherige Tests bestätigen diese Annahme.
Die Rückkehr der Analogcomputer steht noch am Anfang. Experten sind aber davon überzeugt, dass diese Technologie digitale Chips in einigen Bereichen ersetzen oder zumindest ergänzen wird.
Das gilt vor allem dort, wo Computer bestimmte komplexe Aufgaben erledigen. Dazu zählt insbesondere die KI, aber auch der Bereich der Quantencomputer.
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